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Warum wir Gefühle zulassen müssen

Wieso ist es so wichtig, dass wir unsere Gefühle zulassen? Hierzu möchte ich eine persönliche Erfahrung mit euch teilen: Kürzlich saß ich im Bus, hörte Musik und nahm meine Umgebung plötzlich sehr intensiv wahr. Ich war völlig überfordert mit der Situation, fand alles unendlich schön und empfand eine tiefe Dankbarkeit; gleichzeitig spürte ich aber auch eine Traurigkeit und Schwere, die ich nicht richtig einordnen konnte. Das Gefühl, das aus dieser Mischung resultierte, ist schwer zu beschreiben. Ich spürte die Emotionen in mir brodeln und wusste in diesem Moment, dass ich hätte weinen müssen, um mich von der emotionalen Last zu befreien. Ich konnte es aber nicht. Meine Gedanken beschäftigten sich stattdessen mit den Menschen draußen und im Bus – was würden sie denken, wenn mir plötzlich die Tränen über die Wangen fließen würden? In diesem Moment wurde mir klar, in welch bizarrer Situation ich mich da eigentlich befand: Ich stellte mein eigenes Wohl zurück, um den Menschen um mich herum nicht unangenehm aufzufallen!

Gefühle zulassen – warum ist das manchmal so schwer?

Seitdem denke ich viel über die Frage nach, weshalb es mir so schwerfällt, meine Gefühle zuzulassen – egal, wo ich bin und wer gerade um mich herum ist. Warum war es mir in diesem Moment nicht möglich, einfach zu weinen und die Emotionen, die gerade da waren, offen zu zeigen? Schließlich war mir eigentlich bewusst, dass ich mich von meiner Umgebung nicht derart stark beeinflussen lassen darf!

Ich glaube, dass das hauptsächlich daran liegt, dass wir uns von einer sehr schwachen und verletzlichen Seite zeigen, wenn wir unsere Gefühle zulassen und so offensichtlich zeigen, was uns emotional bewegt. Das passt nicht in diese Leistungsgesellschaft, in der wir seit unserer Kindheit so konditioniert werden, dass wir optimal in das gesellschaftliche Gefüge passen. Unser Unterbewusstsein ist vergiftet mit der Vorstellung, dass wir immer stark, selbstbewusst und durchsetzungsfähig auftreten müssen, um erfolgreich zu sein. Emotionen sind nicht erwünscht: Wer seine Gefühle offen zeigt, gilt schnell als schwach und verletzlich. Dies ist eine Tatsache, die wir dringend ändern müssen, wenn wir unsere körperliche und seelische Gesundheit schützen möchten.

Unterdrückte Gefühle können krank machen

Emotionen sind immer aus einem bestimmten Grund da, und sie wollen gefühlt werden! Es ist wichtig, dass wir unsere Gefühle zulassen, um sie danach gehen lassen zu können. Mit negativen Emotionen wollen wir meistens nichts zu tun haben – wir wissen nicht mit ihnen umzugehen, weil uns das in dieser Gesellschaft nicht beigebracht wird. Stattdessen versuchen wir, Gefühle wie Wut, Angst, Ärger und Trauer nicht so nah an uns heranzulassen, indem wir sie entweder unterdrücken oder versuchen, durch Ablenkung oder Betäubung (z.B. in Form von Alkohol oder Drogen) von unseren Emotionen loszukommen. Indem wir unsere Gefühle nicht zulassen, sondern sie ständig vor anderen, vor allem aber vor uns selbst, verstecken, bürden wir uns eine riesige Last auf, die unsere Seele schwer macht. Davon ganz abgesehen ist dies ein Unterfangen, das immer (!) zum Scheitern verurteilt ist. Es wird niemals passieren, dass wir unsere Emotionen unterdrücken und dadurch Frieden mit ihnen schließen können. Früher oder später steigen sie aus dem Unterbewusstsein wieder empor und wir werden erneut mit ihnen konfrontiert. Dieses plötzliche Wiedersehen mit verdrängten Gefühlen kann ernsthafte Konsequenzen für unsere Gesundheit haben. Schon Sigmund Freud wusste, dass unterdrückte Emotionen dazu führen können, dass wir körperlich und seelisch krank werden. Eine Tatsache, die ich ebenfalls aus eigener Erfahrung bestätigen kann: Wenn ich wütend bin oder ich nicht aussprechen kann, was ich eigentlich sagen möchte, spüre ich das sofort an einem schmerzenden Kiefer, einem verspannten Nacken und Kopfschmerzen.

Unsere Gedanken beeinflussen unsere Gefühle

Unsere Gedanken sind ausschlaggebend dafür, wie wir uns fühlen. Zunächst nehmen wir alles, was um uns herum passiert, einfach nur wahr – mehr nicht. Durch unsere Konditionierung bewerten wir jedoch alles auf eine bestimmte Art und Weise. Aus dieser Bewertung resultieren dann unsere Gedanken, die wiederum Gefühle in uns hervorrufen. Zwischen einer Situation und dem Gefühl, das diese Situation in uns auslöst, stehen also immer unsere Gedanken – und die können wir so steuern, dass sie uns nicht schaden. Anstatt also beispielsweise Neid zu verspüren, weil jemand aus dem Bekanntenkreis im Lotto gewonnen hat, können wir uns ganz bewusst aufrichtig mit ihm freuen. Der Neid hat so keine Chance, in unser Unterbewusstsein zu wandern und sich zu einem späteren Zeitpunkt als physische Krankheit zu manifestieren. Diese Übung lässt sich im Alltag ständig praktizieren – wir sind schließlich nur allzu oft Situationen ausgesetzt, die unangenehme Gefühle provozieren könnten. In solchen Momenten ist es hilfreich, die Situation bewusst und ohne Bewertung wahrzunehmen und dann aktiv zu entscheiden, wie man darauf gedanklich reagieren möchte.

Diese Übung ist alles andere als einfach! In manchen Momenten gelingt es mir nicht einmal, genau auszumachen, was mich gerade belastet, was mich ärgert oder was es ist, das ich nicht aussprechen kann. Ich spüre dann eher vage, dass da etwas mein Wohlbefinden stört, kann aber nicht genau sagen, was es ist. Um dieses Problem zu bewältigen, meditiere ich regelmäßig, was auch in diesem Zusammenhang Wunder wirkt. Meditationen helfen mir sehr gut dabei, mich aus dem üblichen Gedankenwirrwarr zu lösen, intensiv in mich selbst hineinzuspüren und zu fühlen, was genau mich gerade bewegt.

Ich bin dankbar, dass ich die Situation im Bus so bewusst wahrgenommen habe – auch, wenn es mir im besagten Augenblick nicht möglich war, meine Emotionen offen zu zeigen. Ich glaube, dass man auch das erlernen kann und muss. Wie schon gesagt: Die bewusste Beobachtung unserer Gedanken ist der erste Schritt, um zu beeinflussen, wie wir uns fühlen. Spüren wir dann doch negative Emotionen, so ist es wichtig, diese nicht zu unterdrücken oder zu verdrängen, sondern sich ihnen zuzuwenden und ihnen Raum zu geben. Sind wir wütend (und alleine zu Hause), so kann es sehr erleichternd sein, die ganze Wut herauszuschreien. Auch das Aufschreiben unserer Gedanken kann einen positiven Einfluss darauf haben, wie wir uns fühlen. Fühle ich mich beispielsweise ängstlich, verunsichert oder besorgt, so hilft es mir immer sehr, meine Sorgen und Bedenken möglichst genau aufzuschreiben. Auf diese Weise kann ich sie visualisieren, mich mit ihnen auseinandersetzen und es gar nicht erst zulassen, dass ich den negativen Gefühlen, die diese Gedanken mit sich bringen, weiterhin ausgesetzt bin.

Diana

„What you seek is seeking you“ (Rumi)

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